Stamp-Interview mit „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“: Wir haben noch viel vor
Der Vorsitzende der FDP NRW und stellvertretende Ministerpräsident des Landes NRW, Dr. Joachim Stamp, gab der „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Dr. Tobias Blasius.
Frage: Ministerpräsident Laschet steht vor dem Abschied nach Berlin, und die CDU ringt noch immer um die Nachfolge. Wie stabil ist die schwarz-gelbe NRW-Koalition noch?
Stamp: Wir arbeiten seit viereinhalb Jahren vertrauensvoll mit der CDU zusammen. Trotz der knappen Landtagsmehrheit haben wir nicht eine einzige Abstimmung verloren. Alle Kandidaten, die für die Nachfolge von Armin Laschet gehandelt werden, sind respektable Persönlichkeiten, mit denen wir unsere erfolgreiche NRW-Koalition gut fortsetzen können. Das hervorragende Arbeitsklima hängt nicht nur an einer Person, sondern an der guten Basis, die wir in der gesamten Koalition haben.
Frage: Die FDP gilt im Bund plötzlich als Kanzlermacher, die Ampel blinkt schon ein bisschen, und die CDU steht vor einem Scherbenhaufen. Was macht das neue Kräfteverhältnis mit Ihrer Zusammenarbeit in NRW?
Stamp: Die Stärke unserer NRW-Koalition lag immer darin, dass wir uns nie als verlängerte Werkbank einer Bundesregierung verstanden haben. Daran wird sich auch nichts ändern, unabhängig davon, wer in Berlin regieren sollte. Richtschnur des Regierungshandelns in Düsseldorf sind die Interessen unseres Landes und der Menschen hier - und nichts anderes.
Frage: Verkehrsminister Hendrik Wüst gilt als wahrscheinlicher neuer Ministerpräsident, ist aber in den eigenen Reihen nicht unumstritten. Scheitert seine Wahl im Landtag, könnten vorgezogene Neuwahlen drohen…
Stamp: Mit Neuwahlen spielt man nicht. Und ich kenne keine seriöse Kraft, die daran Interesse hätte. An den 28 Stimmen der FDP im Landtag wird die Neuaufstellung der Landesregierung nicht scheitern. Wir wollen die erfolgreiche Koalition mit der CDU gerne noch länger fortsetzen.
Frage: Wählt die FDP bedingungslos Wüst ins Ministerpräsidenten-Amt?
Stamp: Den Personalvorschlag macht in den nächsten Tagen die CDU. Es geht uns nicht darum, einen Ministerpräsidenten einfach nur für sieben oder acht Monate ins Amt zu wählen, sondern ein neues Kapitel unserer Zusammenarbeit zu beginnen. Wir haben als FDP in der restlichen Legislaturperiode und darüber hinaus noch viel vor. Deswegen ist es mir wichtig, dass wir uns mit der CDU vor der Wahl des neuen Regierungschefs auf wichtige Anliegen verständigen, die wir noch umsetzen werden.
Frage: Auf welche?
Stamp: Neben der Reform des Teilhabe- und Integrationsgesetzes, mit dem wir einen Mentalitätswandel in den Ausländerämtern im Umgang mit gut integrierten Flüchtlingen erreichen wollen, streben wir weiter Erleichterungen bei der Grunderwerbsteuer und eine Überarbeitung des Versammlungsrechts an.
Frage: Über die Grunderwerbsteuer reden Sie seit Jahren ergebnislos…
Stamp: Wir haben bereits zweimal im Bundesrat den Versuch unternommen, Freibeträge für Familien beim Kauf der ersten, selbstgenutzten Immobilie zu ermöglichen. Das ist zielgenauer und gerechter als die Senkung der Steuer für alle. Gerade wenn das Eigenkapital bei jungen Familien knapp ist, würde diese Entlastung beim Traum vom Eigenheim enorm helfen. Sollten wir das Freibetragsmodell bei den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene durchsetzen können, habe ich die feste Erwartung, dass wir das hier in NRW gemeinsam mit der CDU auch unmittelbar umsetzen.
Frage: Und wenn nicht?
Stamp: Wenn das Freibetragsmodell auf Bundesebene nicht kommen sollte, müssen wir auf Landesebene noch in dieser Legislaturperiode einen Beschluss fassen und die Entlastung bei der Grunderwerbsteuer ins Gesetzblatt bringen.
Frage: Was wollen Sie beim umstrittenen Versammlungsgesetz ändern?
Stamp: Wir sollten die kritischen Hinweise von Experten und die Befürchtungen in Teilen der Bevölkerung ernst nehmen. Das Versammlungsgesetz muss ein modernes, praxistaugliches und rechtssicheres Instrument sein. Mir schwebt ein guter gesellschaftlicher Interessenausgleich vor, wie er uns schon bei der Überarbeitung des Polizeigesetzes gelungen ist. Uns Freien Demokraten ist es wichtig, dass das Grundrecht der Demonstrationsfreiheit mit den Belangen der öffentlichen Sicherheit in Einklang gebracht wird.
Frage: Das klingt nach Nachverhandlungen zum Koalitionsvertrag…
Stamp: Nein, wir haben einen guten Koalitionsvertrag und müssen nicht in langwierige Nachverhandlungen eintreten. Es ist auch nicht unser Stil, jemanden unter Druck zu setzen. Mir und uns Freien Demokraten ist nur wichtig, vor der Wahl des neuen Ministerpräsidenten Kernanliegen für die weitere Zusammenarbeit zu formulieren. Es muss ein klares gemeinsames Verständnis darüber geben, dass wir mit der CDU in diesen für uns wichtigen Themen schnell vorankommen.