Wir wollen ein NRW, das Selbstbestimmung in allen Lebenslagen ermöglicht
Sicherheit
Freiheits- und Bürgerrechte schützen
Sicherheit dient der Freiheit. Um unsere Freiheit zu schützen, brauchen wir eine funktionierende Sicherheitsstruktur und Vertrauen in den Rechtsstaat. Bürgerinnen und Bürger müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Freiheits- und Bürgerrechte gewahrt und geschützt werden.
Extremismus, Terrorismus und organisierte Kriminalität sind eine Bedrohung für unsere Demokratie und unsere offene und freie Gesellschaft. Wir wollen, dass der Rechtsstaat besser organisiert ist als das Verbrechen. Wir brauchen einen handlungs- und durchsetzungsstarken Rechtsstaat, der Sicherheit und Freiheit gleichermaßen sichert. Dazu wollen wir Polizei und Justiz weiter bestmöglich ausstatten, unsere Sicherheitsarchitektur verbessern und den Feinden des Rechtsstaats entschieden entgegentreten. Sicherheit darf nicht zulasten der Grundrechte unbescholtener Bürgerinnen und Bürger gehen. Fragwürdige Durchsuchungsinstrumente wie den Staatstrojaner lehnen wir deswegen ab. Wir wollen die Schlagkraft gegen Kriminalität erhöhen und unseren Polizistinnen und Polizisten mit mehr Personal und moderner Ausrüstung weiter spürbar den Rücken stärken. Unsere Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr oder Rettungsdienst, die täglich ausrücken, um unser Leben und unsere Freiheit zu schützen, verdienen große Wertschätzung und verlässliche Unterstützung.
Opfer von Gewalt und weiteren Straftaten wollen wir bestmöglich unterstützen. Daher werden wir den Opferschutz weiter stärken, konkrete Schutzangebote weiter ausbauen und insbesondere auch Zufluchtsmöglichkeiten für Betroffene schaffen und unterstützen.
Die rechtsprechende Gewalt ist für das Funktionieren der Gesellschaft von essenzieller Bedeutung. Das Strafmonopol des Staates muss in den Händen einer gut ausgestatteten Justiz liegen. Wir wollen, dass die Strafe der Tat stets auf dem Fuße folgt. Wir wollen dafür die Justiz weiter stärken und personell unterstützen. Das Land Nordrhein-Westfalen als Arbeitgeber muss sich dabei anstrengen, gut ausgebildeten Nachwuchskräften ein attraktives Arbeitsumfeld und Weiterentwicklungsmöglichkeiten zu bieten.
Polizei bestmöglich unterstützen und optimal aufstellen
Einstellungszahlen weiter hochhalten
Wir stehen fest an der Seite unserer Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Um unsere Freiheits- und Bürgerrechte bestmöglich zu schützen, braucht unsere Polizei verlässliche Unterstützung. Daher haben wir die nordrhein-westfälische Polizei in den vergangenen Jahren materiell, finanziell und personell besser aufgestellt: Neue, funktionalere Streifenwagen, endlich dienstliche Smartphones, moderne IT, bessere Schutzausstattung sowie Rekord-Einstellungszahlen. Dennoch ist die Belastungssituation nach wie vor hoch. Falls ausreichend geeignete Bewerberinnen und Bewerber zur Verfügung stehen, wollen wir daher die Einstellungszahlen bei der Polizei auf 3.000 Neueinstellungen pro Jahr steigern. Denn nur genug Personal schafft Entlastung und sichert verlässliche polizeiliche Arbeit auch in Zukunft. Der hohen Abbrecherquote im Polizeistudium wollen wir mit verbesserten individuellen Beratungs- und Unterstützungsangeboten noch stärker entgegentreten. Zudem setzen wir uns ein für die Einführung einer Lehrzulage für Beamtinnen und Beamte, die junge Kolleginnen und Kollegen im Wach- und Wechseldienst ausbilden. Wir wollen weiterhin junge Menschen für die Berufung Polizei begeistern.
Mehr Menschen für Polizeidienst gewinnen
Jungen Menschen mit mittlerem Bildungsabschluss haben wir wieder die Möglichkeit gegeben, eine Polizeilaufbahn einzuschlagen. In einem zweijährigen Bildungsgang erlangen die Schülerinnen und Schüler nicht nur ein Fachabitur, sondern auch spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten in Vorbereitung auf den Polizeivollzugsdienst. Wir wollen auch zukünftig Maßnahmen unter Beibehaltung der zweigeteilten Laufbahn ergreifen, um die Anwärterzahlen hochzuhalten und noch mehr Personen mit ungewöhnlichen Profilen für den Polizeidienst zu gewinnen. Darüber hinaus steigen die fachlichen Anforderungen an die Polizei stetig. Daher wollen wir das Programm „Spezialisten zu Polizisten“ weiter ausbauen und gezielt für dieses Programm werben. Zusätzlich wollen wir weitere Wege ausloten, wie wir Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern sowie Spezialistinnen und Spezialisten den Weg zur Polizei ermöglichen. Eine moderne Polizei muss in der Lage sein, neuen Herausforderungen effektiv zu begegnen.
Möglichkeiten der Spezialisierung verbessern und attraktiver machen
Kommissaranwärterinnen und Kommissaranwärter wollen wir nach dem Bachelorstudium noch gezielter fördern, attraktive Angebote der Spezialisierung bieten sowie auch einen schnelleren Weg zur Kriminalpolizei erleichtern. Erfahrenen und gut qualifizierten Beamtinnen und Beamten wollen wir den Aufstieg in höhere Besoldungsstufen nach Abschluss weiterführender Lehrgänge vereinfachen. Durch finanzielle Anreize und bessere Aufstiegsmöglichkeiten in jeweils allen Bereichen wollen wir neue Perspektiven schaffen. Gleichzeitig wollen wir überprüfen, inwiefern bestimmte Tätigkeiten der Landesoberbehörden, insbesondere des Landesamtes für zentrale polizeiliche Dienste (LZPD), notwendigerweise durch Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten verübt werden müssen.
Verlässliche Wertschätzung für unsere Einsatzkräfte
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten gebühren mehr Respekt, Wertschätzung und Schutz. Wer für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger sorgt, muss auch selbst geschützt werden. Beleidigungen und Angriffe wollen wir konsequent und schnell verfolgen.
In Zeiten steigender Gewalt und massiven Respektsverlusts gegenüber der Polizei brauchen unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten politische Rückendeckung statt Misstrauen. Zugleich muss polizeiliches Handeln im Rechtsstaat stets überprüfbar sein. Für eine randomisierte, bei jedem Einsatz wechselnde Kennzeichnung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten in geschlossenen Formationen werden wir uns daher nur dann aussprechen, wenn erkennbar wird, dass Ermittlungsverfahren gegen Beamtinnen und Beamten in Nordrhein-Westfalen deswegen eingestellt wurden, weil die konkret handelnde Person nicht ermittelt werden konnte.
Wir haben erstmals einen Polizeibeauftragten ernannt, der – ohne an Weisungen gebunden zu sein – im Innenministerium direkt beim Minister angesiedelt ist. Alle Angehörigen der Polizei in Nordrhein-Westfalen können sich mit Anregungen, Einwendungen und Hinweisen an ihn wenden. Wir wollen die Stellung der bzw. des Polizeibeauftragten als Ansprechperson für Polizei-Angehörige weiter stärken und unabhängiger machen. Dazu soll die Polizeibeauftragte bzw. der Polizeibeauftragte zukünftig durch den Landtag gewählt werden.
Wertschätzung für unsere Einsatzkräfte drückt sich auch in einem modernen Personalmanagement und finanzieller Anerkennung aus. Wir setzen uns für eine verbesserte Umsetzung von attraktiv ausgestalteten Lebensarbeitszeitkonten für Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst ein. Hiermit können nicht nur die Überstunden gesichert, sondern auch die Qualität der Arbeit sichergestellt und die Attraktivität des öffentlichen Dienstes dauerhaft gesteigert werden.
Wir haben eine Erschwerniszulage für Kindesmissbrauchsermittelnde umgesetzt. Wir wollen darüber hinaus das gesamte Zulagenwesen reformieren und modernisieren, die Zulagensystematik insgesamt verbessern und für zeitgemäß ausgestaltete Zulagen bei Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst sorgen.
Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in polizeiliches Handeln ist für unseren Rechtsstaat elementar. Wir wollen uns daher zum Ziel nehmen, das existierende qualifizierte Beschwerdemanagement der Polizei unter Vermeidung von Doppelstrukturen weiterzuentwickeln. Die Entgegennahme von Lob und Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern wollen wir technisch zentralisieren sowie Transparenz und Unabhängigkeit von Überprüfungsprozessen weiter stärken.
Aufgabenbündelung mit Augenmaß
Wir wollen die Bündelung von Aufgaben der Kreispolizeibehörden für eine größere Schlagkraft in den Bereichen, in denen dies sinnvoll ist, mit Augenmaß prüfen. Nicht nur die Aufarbeitung der Kindesmissbrauchsvorfälle in Lügde hat gezeigt, dass die Verlegung der Bearbeitung bestimmter Verbrechen auf die Kriminalhauptstellen und damit verbundener Bündelung von Expertise sinnvoll sein kann. Eine zentrale Bearbeitung von Aufgaben darf aber nicht zu weniger Polizei vor Ort führen. Wir brauchen eine sichtbare Präsenz und verlässliche Einsatzstärken nicht nur in den Brennpunkten, sondern gerade auch im ländlichen Raum. Wir wollen dazu auch die aktuell im Rahmen der Kräfteverteilung vorgesehene Mindestdichte von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten in den Landkreisen weiter erhöhen. Einer Ausdünnung der Polizei sowie einer einseitigen Verlagerung in die großen Städte wirken wir entschieden entgegen.
Digitalisierung der Polizeiarbeit vorantreiben
Wer für unsere Sicherheit auf der Straße ist, verdient die bestmöglichen Rahmenbedingungen. Wir wollen deshalb die Digitalisierung der Polizeiarbeit mit Hochdruck weiter vorantreiben und dies mit einer breiten Qualifizierungsoffensive verbinden. Dafür setzen wir auf modernste IT-Ausstattungen in allen Kreispolizeibehörden sowie digitale Einsatzmittel in den Streifenwagen. Digitalisierung ist dabei kein Selbstzweck: Digitalisierte Prozesse lösen den Papierstau auf und sorgen für Entlastung – so werden wichtige Kapazitäten frei für die Polizeiarbeit vor Ort.
Schlagkraft im digitalen Raum erhöhen
Zahlreiche Straftaten und kriminelle Aktivitäten finden heutzutage im Digitalen statt. Wir setzen uns daher entschieden für modernste Technik und zusätzliches Personal ein. Als zentralen Baustein für Effizienz und Kompetenz in der digitalen Strafverfolgung wollen wir das Cybercrimekompetenzzentrum NRW weiter stärken.
Distanzelektroimpulsgeräte (Taser) flächendeckend einführen
Nach dem erfolgreich abgeschlossenen Pilotprojekt in Nordrhein-Westfalen gehören Distanzelektroimpulsgeräte (kurz DEIG oder Taser) nun in mehreren Behörden bereits zur Grundausstattung der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Die bisherigen Einsätze haben gezeigt, dass Angriffe auf Polizeibeamte allein durch die präventive Wirkung des Tasers bereits um über 80 Prozent zurückgehen. Wir machen uns daher für eine sofortige und flächendeckende Ausstattung aller Kreispolizeibehörden in ganz Nordrhein-Westfalen stark. Hierdurch kann der Schutz unserer Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten deutlich erhöht werden.
Organisierte Kriminalität konsequent bekämpfen
Wir wollen weiter entschlossen gegen organisierte Kriminalität und kriminelle Clans vorgehen. Dafür werden wir die behördenübergreifende Strategie, bei der nicht nur die Sicherheits- und Ordnungsbehörden tätig werden, sondern auch weitere staatliche Stellen, zum Beispiel der Zoll, in die Planung und Durchsetzung von Maßnahmen miteinbezogen werden, weiterführen. Auch in Zukunft werden wir, wo möglich, gegen kriminelle Clanmitglieder mit ausländerrechtlichen Maßnahmen vorgehen. Bei der Bekämpfung von Clankriminalität und sonstiger organisierter Kriminalität werden wir einerseits mit der ganzen Härte des Rechtsstaats gegen kriminelle Strukturen vorgehen und andererseits innovative Präventionskonzepte etablieren, um die Nachwuchsgewinnung krimineller Clans nachhaltig zu stören und Kinder und Ausstiegswillige besser vor diesen Strukturen zu schützen.
Finanzermittlungen stärken
Finanzermittlungen können erheblich dazu beitragen, kriminelle Strukturen auszuheben. Dem Prinzip „Follow the Money“ folgend soll auch zukünftig noch genauer auf Finanzströme geschaut werden. Wir setzen uns für eine verfassungskonforme Regelung ein, die es den Ermittlungsbehörden in Bund und Ländern rechtssicher ermöglicht, Vermögen unklarer Herkunft unter bestimmten Voraussetzungen abzuschöpfen.
Extremismus und Terrorismus konsequent bekämpfen
Wir wollen, dass alle Bürgerinnen und Bürger in unserem Land friedlich, frei und ohne Angst leben können. Wir treten daher jeder Form von Extremismus, Terrorismus, menschverachtendem Gedankengut und politisch motivierter Gewalt entschieden entgegen. Wir wollen und werden nicht zuschauen, wenn Hass und Gewalt in unsere Gesellschaft einzusickern drohen. Prävention und Repression werden wir daher gleichsam gezielt verstärken.
Um politisch motivierte Straftaten besser im Themenkomplex Extremismus, Rassismus und Antisemitismus zu erfassen und hieraus präventive Maßnahmen zu erarbeiten, setzten wir uns für die Erstellung von Dunkelfeldstudien ein. Eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien legt zudem nahe, dass die Tatmotive vieler rechtsextremer Täter internalisierter Frauenhass sind. Wir werden daher auch das Thema „Frauenhass“ verstärkt in den Blick nehmen und die Gesellschaft mit konkreten Präventionsangeboten sensibilisieren. Die Arbeit der Antisemitismusbeauftragten wollen wir noch stärker unterstützen. Angebote im Bereich der Aus- und Fortbildung für den öffentlichen Dienst, insbesondere Polizei und Justiz, wollen wir so überarbeiten, dass zielgerichtet Wissen und Kenntnisse über Antisemitismus in seiner historischen Entwicklung sowie in seiner modernen Ausprägung vermittelt werden, damit Stereotype, Codes und Vorfälle als Straftaten besser eingeordnet werden können.
Fälle von Extremismus und Rassismus im Öffentlichen Dienst nehmen wir sehr ernst. Rechtsextremes Gedankengut von Polizeibeamtinnen oder Polizeibeamten sind mit besonderer Sensibilität zu erkennen und ausnahmslos und konsequent zu verfolgen. Die große Mehrheit unserer Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten leisten eine hervorragende Arbeit. Es darf daher keinen Generalverdacht gegenüber unserer Polizei geben. Die Arbeit der Extremismusbeauftragten für die Polizeibehörden werden wir weiter gezielt stärken. Im Kampf gegen Rechtsextremismus im Öffentlichen Dienst unterstützen wir wissenschaftliche Untersuchungen, um mögliche Ursachen besser zu erkennen und zu verhindern.
Sicherheitsarchitektur im Kampf gegen Terror und Extremismus verbessern
Wir wollen das Zusammenspiel von Bund und Ländern bei der Bekämpfung von Terror und Extremismus verbessern. Spätestens der NSU-Skandal sowie der Fall „Anis Amri“ haben gezeigt, dass das Verhältnis der bis zu 40 Sicherheitsbehörden in Deutschland grundsätzlich überprüft werden muss. Insbesondere die Arbeit der drei Gemeinsamen Sicherheitszentren von Bund und Ländern gegen islamistischen Terrorismus, Links- und Rechtsterrorismus sowie digitale Propaganda, wollen wir überprüfen. Bei diesen Organisationen handelt es sich um Austauschnetzwerke zwischen den Polizeien und Nachrichtendiensten. Wir wollen zukünftig eine bessere Vernetzung sicherstellen, den konstruktiven Informationsaustausch gewährleisten und die Extremismus- und Terrorabwehr stärken. Gleichzeitig muss die Einhaltung rechtlicher Grundlagen, insbesondere die Wahrung von Bürgerrechten, stetig geprüft und garantiert werden. Gemeinsam mit den anderen Ländern wollen wir auch auf die Abschaltung der nicht erfolgreichen und verzichtbaren Anti-Terrordatei hinwirken.
Wir setzen uns für die Gründung einer Föderalismuskommission III ein, um die bisherige Aufstellung der Sicherheitsarchitektur in Deutschland auf den Prüfstand zu stellen, und unterstützen Vorhaben der neuen Bundesregierung in diesem Bereich. Im Zuge dieser Beratungen müssen die Gemeinsamen Sicherheitszentren auf eine eigene Rechtsgrundlage gestellt werden. Das Trennungsgebot von Polizei und Nachrichtendiensten muss dabei gewahrt bleiben.
Verfassungsschutz optimal aufstellen
Der Verfassungsschutz leistet in Nordrhein-Westfalen einen unverzichtbaren Beitrag im Kampf gegen Extremismus. Daher wollen wir ihn weiter stärken, insbesondere die Aus- und Weiterbildung der Beschäftigten fortentwickeln und einheitliche Standards schaffen. So wollen wir die Ausbildung der Verfassungsschützerinnen und Verfassungsschützer neu aufstellen und auch verstärkt Expertinnen und Experten anderer Fachrichtungen für den Dienst im Verfassungsschutz gewinnen. Darüber hinaus setzen wir uns für die Einführung eines „dualen Verfassungsstudiums“ mit Studieninhalten wie beispielsweise Extremismusforschung, Soziologie, Psychologie, Informationstechnologie, Geschichte, Politik und Recht ein. Der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen soll so zu einer Schmiede von Expertinnen und Experten für die verschiedenen Phänomenbereiche werden und auch für junge Absolventinnen und Absolventen offener und nahbarer werden. So kann besser gewährleistet werden, dass der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz auch in Zukunft zielgerichtet, effizient und nachhaltig gegen rechte, linke, islamistische oder religiöse Extremisten vorgehen kann.
Parlamentarische Kontrollmöglichkeiten verbessern
Wir wollen Parlament und Verfassungsschutz enger verzahnen, Misstrauen und Unwissen über die wichtige Tätigkeit der Verfassungsschützerinnen und Verfassungsschützer keinen Raum geben und die parlamentarische Kontrolle so stärken, dass die Arbeitsfähigkeit des Verfassungsschutzes unberührt bleibt. Durch die Einsetzung eines parlamentarischen Verfassungsschutzbeauftragten mit vollem Zugang zu Abläufen und Informationen soll eine bessere Information des parlamentarischen Kontrollgremiums gewährleistet werden. Die oder der Verfassungsschutzbeauftragte soll darüber mitentscheiden, welche Vorgänge und Inhalte dem Parlamentarischen Kontrollgremium vorzulegen sind. Die oder der Verfassungsschutzbeauftragte soll auch an der Vorbereitung und an den Sitzungen der G-10-Kommission teilnehmen. § 30 des Verfassungsschutzgesetzes NRW ist entsprechend anzupassen. Fraktionen soll es ermöglicht werden, an Sitzungen des parlamentarischen Kontrollgremiums mit einer entsprechend sicherheitsüberprüften Fachreferentin oder einem Fachreferenten teilzunehmen.
Ausgewogenes Waffenrecht umsetzen
Wir stehen für ein Waffenrecht mit Augenmaß und Konsequenz. Dabei muss zwischen den Besitzerinnen und Besitzern von Legalwaffen wie Sportschützen und Jägern und zwischen dem illegalen Waffenbesitz sowie dem Waffenbesitz durch gefährliche Personen strikt unterschieden werden. Die jüngsten Verschärfungen des Waffenrechts haben die Besitzer von Legalwaffen wie Sportschützen und Jäger mit zusätzlicher unnützer Bürokratie überzogen. Der Bund sollte eine Generalrevision des Waffenrechts unternehmen, um Praktikabilität und Praxisnähe zu verbessern. Wir wollen die Waffenbehörden bei der Aus- und Weiterbildung der zuständigen Sachbearbeitenden besser unterstützen. Gefährder und Extremisten dürfen keine Waffen besitzen. Dazu muss der Datenaustausch der beteiligten Behörden verbessert und der illegale Waffenhandel auf europäischer Ebene stärker bekämpft werden.
Sicherheit vor Ort und Katastrophenschutz stärken
Kommunale Sicherheit stärken
Die Kommunen bilden eine unverzichtbare Stütze bei der Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung mit ihrer Zuständigkeit für die allgemeine Gefahrenabwehr. Die Vernachlässigung einzelner Stadtgebiete wirkt sich auf die Kriminalitätsentwicklung und somit auch auf das Sicherheitsgefühl der Menschen aus. Nicht zuletzt die Pandemie hat vor Augen geführt, wie notwendig handlungsfähige kommunale Ordnungsdienste sind. Sie müssen vor allem aber auch dann verfügbar sein, wenn sie dringend gebraucht werden – also zur Nachtzeit und auch an Wochenenden, sowohl in kreisfreien Städten wie in Flächenkreisen.
Ein wirksames Mittel, um dabei Kräfte zu bündeln, sind die sogenannten Ordnungspartnerschaften, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern von Polizei und Ordnungsamt. Wir wollen Partnerschaften stärken und flächendeckend ausweiten. Gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden wollen wir landesweite Standards für die Aus- und Fortbildung der kommunalen Ordnungsdienste erarbeiten und festschreiben. Hierbei soll die Polizei mit ihrer Erfahrung unterstützen. Neben einer besseren Ausstattung für die Beschäftigten sollen die kommunalen Ordnungsdienste zukünftig auch am BOS-Funknetz angeschlossen werden. Das verbessert die Kommunikation zwischen den Sicherheitsbehörden und dient zudem der Sicherheit der Beschäftigten.
Feuerwehr und Katastrophenschutz zukunftsfest machen – Ehrenamt stärken
Umweltkatastrophen wie Hochwasserfluten oder großflächige Waldbrände werden auch in Zukunft nicht ausbleiben. Aber auch Szenarien, in denen gefährliche biologische, radioaktive oder chemische Stoffe freigesetzt werden sowie Angriffe auf kritische Infrastrukturen müssen im Katastrophenschutz künftig verstärkt mitgedacht werden. Daher wollen wir den Katastrophenschutz umfassend und interdisziplinär anlegen. Das kann nur funktionieren, wenn Schutzziele konkret vorgegeben und mögliche Szenarien regelmäßig durchgespielt und trainiert werden. Der Ausbau geländegängiger Fahrzeugflotten, die Verbesserung der Frühwarnung der Bevölkerung, die Entwicklung digitaler Echtzeit-Lagebilder sowie die Stärkung der Fortbildung auf diverse mögliche Katastrophenfälle haben für uns hohe Priorität. Bei Beschaffungen, die für Bereiche des Katastrophenschutzes im Pool durch Bundesministerien oder Bundesbehörden getätigt werden, wollen wir auf eine zügigere und zuverlässigere Bereitstellung hinwirken. Die Durchführung des nächsten bundesweiten Warntages, der nach Beschluss der Innenministerkonferenz im September 2022 stattfinden soll, werden wir eng begleiten. Soweit erneut Schwierigkeiten auftreten, werden wir uns aus Nordrhein-Westfalen heraus für eine umgehende zielgerichtete Analyse einsetzen, um die daraus gewonnenen Ergebnisse für eine schnellstmögliche Behebung von Lücken und Problemen der Frühwarnsysteme zu nutzen. Außerdem soll der Landtag einmal jährlich über neue Entwicklungen im Katastrophenschutz informiert werden.
Der nordrhein-westfälische Katastrophenschutz steht im Wesentlichen auf der tragenden Säule der vielen Ehrenamtlichen in den Freiwilligen Feuerwehren, dem THW und den weiteren Hilfsorganisationen. Wir setzen uns dafür ein, dass ihr bürgerschaftliches Engagement auch in Zukunft gewürdigt, gestärkt und gefördert wird. Die freiwilligen und hauptamtlichen Feuerwehren leisten einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Bevölkerung. Daher verdienen sie nicht nur unseren besonderen Respekt, sondern auch, dass wir bestmögliche Rahmenbedingungen schaffen. Daher wollen wir neben der Erleichterung einer ehrenamtlichen Tätigkeit – beispielsweise durch Vorschläge zur Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Ehrenamt – auch die Feuerwehren insgesamt stärken.
Gleichzeitig sehen sich unsere Einsatzkräfte zunehmend Anfeindungen und Bedrohungen ausgesetzt. Dabei handelt es sich nicht nur um die Behinderungen von Rettungseinsätzen, sondern um Straftaten, die konsequent verfolgt werden müssen. Wir werden auch hier die Null-Toleranz-Strategie verfolgen und Gesetzesbrüche nicht dulden.
Rechtsprechung und Vollzug zukunftsfähig aufstellen
Personelle und materielle Ausstattung der Justiz
Bereits in der laufenden Legislaturperiode haben wir die Justiz signifikant gestärkt und ihr zusätzliche Ressourcen für ein effektives Handeln zur Verfügung gestellt. Diesen Weg wollen wir auch in Zukunft weiterverfolgen. Deshalb wollen wir die Justiz durch weitere personelle Verstärkungen demographiefest machen und die Justizbauten modernisieren, indem wir den Pakt für den Rechtsstaat zwischen Bund und Ländern fortsetzen. Hierbei soll der Fokus auf mehr Personal, eine konsequente Digitalisierung und eine Sanierung der Gebäude gerichtet werden.
Attraktivität der Justizberufe steigern
Wir wollen, auch zur kontinuierlichen Gewinnung von Nachwuchskräften, die Attraktivität der Justizberufe stärken. Hierzu soll die Besoldung marktgerecht und attraktiv ausgestaltet werden. Wir wollen Rechtsreferendare wieder verbeamten. Zudem wollen wir den Justizbeschäftigten eine E-Learning-Bibliothek zu Aus- und Weiterbildungszwecken zur Verfügung stellen.
Mit der JAG-Reform haben wir den ersten Schritt zu einer zukunftsorientierten Juristenausbildung gemacht. Wir wollen das Jura-Studium attraktiver gestalten, ergänzen und für eine geringere Quote von Studienabbrecherinnen und -abbrechern sorgen. Durch eine Modernisierungsinitiative wollen wir in Nordrhein-Westfalen der attraktivste Studien- und Ausbildungsort für angehende Juristinnen und Juristen werden. Nach dem Vorbild erfolgreicher Law Schools in Deutschland sollen Studierende der Rechtswissenschaften in Nordrhein-Westfalen künftig die Möglichkeit erhalten, sowohl den Bachelor of Laws als auch das erste Staatsexamen absolvieren zu können. Das bewährte und international anerkannte System des ersten und zweiten Staatsexamens in der deutschen juristischen Ausbildung soll dabei auch in Nordrhein-Westfalen bestehen bleiben und auch in Zukunft Voraussetzung für die Befähigung zum Richteramt bleiben.
Digitalisierung in der Justiz voranbringen
Wir wollen die Digitalisierung der Justiz weiter forcieren. Die Finanzgerichtsbarkeit und die Verwaltungsgerichtsbarkeit arbeiten bereits vollständig elektronisch. Die E-Akte muss nun auch flächendeckend an allen ordentlichen Gerichten, den weiteren Fachgerichten sowie den Staatsanwaltschaften umgesetzt werden. Auch die digitale Ausstattung der Richterinnen und Richter, der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und allen weiteren Justizbeschäftigten wollen wir gewährleisten. Den Zugang zur Justiz für die Bürgerinnen und Bürger wollen wir durch einen weiteren Ausbau der Videokonferenztechnik verbessern. Hier soll die Möglichkeit eröffnet werden, dass bei übereinstimmender Parteiantragstellung grundsätzlich eine Videoverhandlung verbindlich durchs Gericht anzuordnen ist. Um die Arbeitsabläufe der Justiz effizienter zu machen, setzen wir auf länderübergreifende Kooperation. Deshalb engagieren wir uns für den Aufbau einer länderübergreifenden Justiz-Cloud sowie die Entwicklung des Gemeinsamen Fachverfahrens („gefa“).
Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Legal Tech ausbauen
Wir wollen durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und Legal Tech die Tätigkeiten der Justizbehörden sinnvoll unterstützen. Einsatzbereiche sehen wir zum Beispiel bei der Vereinfachung von Datenerfassung und Verfahrensschritten im Ermittlungsverfahren durch robotergesteuerte Prozessautomatisierung. Auch die digitale Aufzeichnung und Hilfestellung bei der anschließenden Auswertung von Vernehmungen und der Hauptverhandlung durch KI sowie die Einrichtung sogenannter „Chatbots“ für die Rechtsantragstellenden sollen ausgebaut werden. Endgültige Entscheidungen sollen weiterhin nur von Menschen getroffen werden.
Schutz im Internet und vor Cyber Crime
Die Europäische Union ist bestrebt, zwanzig Jahre nach Inkrafttreten der E-Commerce-Richtlinie mit dem Digital Services Act (DAS) einen zukunftsfähigen Rechtsrahmen für neue und innovative Dienste zu schaffen. Wir begrüßen dieses Vorhaben, weil dadurch ein zukunftsorientierter Rahmen für gewerbliche Nutzer digitaler Dienste geschaffen wird. Darüber hinaus setzen wir uns für die Stärkung der Verbraucherrechte im Internet ein. Für die quantitative und qualitative Zunahme von Cyberangriffen in allen Bereichen wollen wir die Justiz für die Durchführung von Ermittlungsverfahren gut aufstellen.
Verfahrenslaufzeiten senken
Verfahrenslaufzeiten wollen wir gerade in Straf- und Zivilverfahren weiter verkürzen. Wir wollen dafür die Justiz so ausstatten, dass Richterinnen und Richter Verfahren unter Beibehaltung der hohen rechtlichen Standards schneller führen und somit unter Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit die durchschnittliche Verfahrensdauer deutlich senken können. Insbesondere im Bereich der insgesamt rückläufigen Jugendkriminalität setzen wir uns für kurze Verfahrensdauern ein, um Jugendlichen und Heranwachsenden den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Tat und Strafe aufzeigen zu können und sie damit dabei zu unterstützen, künftig ein straffreies Leben zu führen.
Behandlungsvollzug verbessern
Um Rückfallquoten zu senken, wollen wir den Behandlungsvollzug weiter ausbauen. Dadurch soll es besser gelingen, mit der individuellen Situation einzelner Straftäterinnen und Straftäter wirksam umzugehen.
EU-Kompetenzzentrum einrichten
Wir wollen die Möglichkeiten der Justiz, von EU-Fördermitteln zu profitieren, besser nutzen. Um das Projektmanagement innerhalb der Justiz zu verbessern, wollen wir ein beim Ministerium der Justiz angesiedeltes EU-Kompetenzzentrum einrichten. Dieses soll die Bewerbungen auf EU-Ausschreibungen koordinieren, den administrativen Aufwand senken und dadurch die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass das Land EU-Fördermittel für Modernisierungen erhält.
Kinderschutz
Kinder sind unsere Zukunft. Ihre Chancen wollen wir von klein auf fördern. Zugleich sind sie die schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft, die unsere Hilfe und unseren Schutz benötigen. Während der große Teil der Kinder in liebevoller Umgebung ihrer Familien aufwächst, erleben einige Kinder Gewalt, Missbrauch und Vernachlässigung. Die erschütternden Missbrauchsfälle in der zurückliegenden Zeit haben uns deutlich vor Augen geführt, dass wir noch deutlich stärkere Anstrengungen brauchen, um die Kleinsten in unserer Gesellschaft besser zu beschützen. Wir sind deswegen mit weitreichenden Maßnahmen deutschlandweit vorangegangen: Wir haben ein Kinderschutzgesetz auf den Weg gebracht, das deutschlandweit neue Maßstäbe setzt. Wir haben ein ambitioniertes und umfassendes Handlungs- und Maßnahmenkonzept zur Verbesserung des Kinderschutzes vorgelegt, das unter anderem die erfolgreiche Einrichtung der Landesfachstelle „Prävention sexualisierter Gewalt“ umfasst. Bestandteil des Konzepts ist zudem die substanzielle Erhöhung der Mittel für Beratungsstellen. Wir haben über den Bundesrat für die Anhebung des Mindeststrafmaßes bei Sexualdelikten zu Lasten von Kindern gesorgt.
Führende Expertinnen und Experten haben Nordrhein-Westfalen angesichts dessen sowie weiterer parlamentarischer Initiativen als „Avantgarde“ im Kampf gegen Kindesmissbrauch bezeichnet und uns Pionierarbeit in vorbildlicher Weise bescheinigt. Wir wollen uns darauf jedoch nicht ausruhen, sondern vielmehr den eingeschlagenen Weg konsequent fortsetzen, um den Schutz der Kleinsten unserer Gesellschaft weiter zu verbessern. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen hat für uns höchste Priorität.
Kinderschutz auf eine neue Stufe heben
Mit dem Landeskinderschutzgesetz haben wir einen wichtigen Einstieg in einen umfassenden, landesrechtlich verankerten Kinderschutz vollzogen. Wir wollen den intensiven Austausch mit Wissenschaft, Kommunen, Trägern, Verbänden sowie mit Kindern und Jugendlichen fortsetzen, um vorhandene Verbesserungsmöglichkeiten im Sinne eines umfassenden Kinderschutzes zu erkennen und umzusetzen. Wir werden dies als einen dauerhaften und fortlaufenden Prozess anlegen. Aufbauend auf dem Handlungs- und Maßnahmenkonzept im Bereich „Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“ wollen wir Prävention, Intervention und Hilfen deutlich verbessern.
Hochwertige Qualifizierungen weiter ausbauen – frühzeitiges Erkennen und Einschreiten ermöglichen
Bei vielen Akteuren, die mit oder im Umfeld von Kindern und Jugendlichen arbeiten, besteht weiterer Qualifizierungsbedarf im Bereich des Kinderschutzes. Wir wollen darum auch künftig mit der Weiterentwicklung des Landeskinderschutzgesetzes möglichst sämtliche Personen, die mit Minderjährigen arbeiten oder deren Tätigkeit Bezüge zur Arbeit mit Minderjährigen aufweist, durch regelmäßige Fortbildungen für Anzeichen sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche oder von anderen Kindeswohlgefährdungen sensibilisieren. Die Durchführung interdisziplinärer Fortbildungen wird durch eine landesseitige Finanzierung unterstützt. Zusätzlich wollen wir Mindeststandards für themenspezifische Fortbildungen im Bereich des Kinderschutzes definieren und die erforderlichen Fortbildungsinhalte nach den unterschiedlichen Arbeitsfeldern differenzieren.
Einrichtungen, in denen sich regelmäßig Kinder und Jugendliche aufhalten, verfügen nach dem Landeskinderschutzgesetz über verpflichtende Schutzkonzepte. Wir wollen darüber hinaus niedrigschwellige Beratungsangebote flächendeckend ausbauen und miteinander vernetzen. Gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden wollen wir die derzeitigen Finanzierungsstrukturen nochmals überprüfen und verbessern.
Kinder und Jugendliche stark machen
Wir wollen Kinder und Jugendliche verstärkt über ihre persönlichen Rechte und Grenzen im persönlichen Umgang informieren. Kinder und Jugendliche sollen gestärkt werden, (Verdachts-)Fälle und Grenzverletzungen klar zu benennen. Dafür müssen unter anderem Ansprechpersonen und niedrigschwellige Beratungsangebote bekannter und konkrete Handlungsmöglichkeiten zugänglich gemacht werden („Wegweiser“) – vor allem auch im Schulbereich. Lehrkräfte müssen über die Aus- und Fortbildung sowie die Zusammenarbeit mit oder Einbeziehung von Beratungsstellen in die Lage versetzt werden, die Themen Sexualität und sexualisierte Gewalt im Unterricht anzusprechen.
Aktive Öffentlichkeitsarbeit
Die Themen Kindeswohlgefährdung und sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche müssen über eine aktive Öffentlichkeitsarbeit weiter enttabuisiert werden. Bürgerinnen und Bürgern soll Mut gemacht werden, bei Auffälligkeiten, Verdachtsfällen und Problemen Hilfe aufzusuchen. Dafür wollen wir niedrigschwellige Beratungs- und Informationsangebote bekannter machen.
Engmaschiges Schutznetzwerk
Wir wollen die Vorgaben und Rahmenbedingungen für die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren über das Landeskinderschutzgesetz hinaus weiter verbessern, um ein engmaschiges Netz für Kinder- und Jugendschutz zu weben. Insbesondere auf Bundesebene werden wir uns für die Schaffung und finanzielle Förderung von Kinderschutz-Netzwerken nach dem Vorbild der Netzwerke Kinderschutz und Frühe Hilfen auf Landesebene zur strukturellen Vernetzung vor Ort einsetzen.
Soziales Sicherungsnetz darf nicht zum Tatort werden
Bildungsorte wie Schulen und Hochschulen sind ebenso wie Sportvereine Teil des sozialen Sicherungsnetzes. Bezugs- und Vertrauenspersonen können hier Zeuge von Verhaltensauffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen werden, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind. Schulen und Hochschulen sowie Sportvereine können jedoch zugleich auch Tatort sein. Wir setzen uns darum für eine wissenschaftliche Untersuchung des Umgangs von Schulaufsichten und Sportinstitutionen mit (Verdachts-)Fällen sexualisierter Gewalt ein. Das verpflichtende erweiterte Führungszeugnis soll für Ehrenamtliche zukünftig gebührenfrei werden.
Betroffenen Kindern und Jugendlichen schnellstmöglich helfen
In Fällen sexualisierter Gewalt und weiterer Formen von Kindeswohlgefährdung ist es besonders wichtig, die betroffenen Kinder und Jugendlichen schnellstmöglich durch Hilfsmaßnahmen zu unterstützen. Traumafolgenbehandlungen und psychiatrische sowie psychotherapeutische Unterstützung müssen flächendeckend und zeitnah verfügbar sein. Hier wollen wir insbesondere die therapeutischen Angebote im ländlichen Raum ausbauen.
Kindgerechte Justiz
Betroffene Kinder und Jugendliche stellen insbesondere auch Vernehmungen und Aussagen zu dem Erlebten unter hohen psychischen Stress, schlimmstenfalls kommt es zu Retraumatisierungen. Frühzeitige, kindgerechte (Video-)Vernehmungen, psychosoziale Prozessbegleitung, eine frühzeitige therapeutische Betreuung sowie die Verhinderung von mehrfachen Zeugenaussagen sollen die Justizverfahren darum kindgerechter machen. Wir setzen uns deswegen für ein Aus- und Fortbildungsangebot im Bereich „kindgerechter Justiz“ ein.
Zudem wollen wir den Ausbau von Anlaufstellen für Opfer sexuellen Missbrauchs sowie der sogenannten Childhood-Häuser weiter stärken.
Die Prävention im Bereich Pädophilie wollen wir deutlich stärken. Betroffene müssen die Möglichkeit erhalten, sich niedrigschwellig über ihr Krankheitsbild und Hilfsangebote informieren zu können. Angebote wie „Kein Täter werden“ wollen wir daher ausbauen, um möglichst wohnortnah Anlaufstellen für Präventionsprogramme zu schaffen.
Missbrauch und Vergewaltigung klar benennen
Wenn über die Darstellung von Kindesmissbrauch berichtet wird, ist oft die Rede von „Kinderpornografie“. Es handelt sich hier jedoch nicht um Aufnahmen, die freiwillig entstehen und deren Herstellung erlaubt ist, sondern es handelt sich um Bilder und Videos von sexuellem, psychischen und physischem Missbrauch sowie der Vergewaltigung von Kindern. Wir halten diesen Begriff darum für grob verharmlosend und wollen ihn im Strafgesetzbuch ersetzen.
Familie
Klassische Familie, unverheiratetes Paar, Regenbogen- oder Patchworkfamilie oder alleinerziehend: Familien sind vielfältig, Familien sind bunt. Wir setzen uns für Toleranz und Offenheit für diese Vielfalt von Rollen- und Lebensentwürfen ein und unterstützen deswegen die Vorhaben der Bundesregierung hierzu ausdrücklich.
Familie ist auch das Miteinander mehrerer Generationen. Im besten Fall ist die Familie der starke Ausgangspunkt für einen selbstbestimmten Lebensweg. Wir wollen Familien deswegen weiter stärken und setzen uns ein für mehr Bildungs- und Chancengerechtigkeit für Kinder und Jugendliche, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, eine selbstbestimmte Rollenverteilung sowie Unterstützung im Falle der Pflege von Angehörigen.
Die Corona-Pandemie hat Familien, Kinder und Jugendliche besonders getroffen. Wir wollen darum den vielfältigen Auswirkungen und Folgen der Corona-Pandemie auf Kinder, Jugendliche und Familien mit einem Maßnahmenbündel begegnen. Gerade Familien mit jüngeren Kindern leisten mit solidarischem Handeln unter teilweise großer Belastung einen wichtigen Beitrag. Dafür sind wir den Familien in Nordrhein-Westfalen dankbar.
Familien stark machen
Beste Bildung für Kinder und Jugendliche heißt auch, dass die Eltern dazu beitragen können. Deswegen hat die Familienbildung und -beratung für uns eine ganz besondere Bedeutung. Wir wollen die Angebote der Familienbildung – also die Vermittlung von Erziehungskompetenzen – und die Familienberatung von Familien in Problemsituationen weiter stärken. Das Thema Mental Health bei Kindern und Jugendlichen wollen wir unter anderem im Bereich der Familienbildung, aber auch darüber hinaus noch viel stärker verankern. Wir wollen zudem zusätzliche Werbemaßnahmen für diese Beratungs- und Bildungsangebote initiieren.
Wir wollen die von den Einschränkungen zur Pandemieeindämmung besonders betroffenen Familien als Zeichen der Wertschätzung für ihren Einsatz und Verzicht durch gezielte Angebote der Familienerholung eine Atempause verschaffen und sie entlasten.
Alleinerziehende und Getrennterziehende stehen auch unabhängig von der Corona-Pandemie häufig vor großen finanziellen Problemen. Das wirkt sich auf die Chancen der Kinder aus. Deswegen wollen wir Allein- und Getrennterziehende stärken: durch einen flächendeckenden Ausbau der Betreuungsangebote insbesondere auch in Randzeiten, eine Vereinfachung der Unterstützungsleistungen durch das Kinderchancengeld, mehr Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung, mehr Möglichkeiten zur Ausbildung in Teilzeit, Unterstützung beim Kindesunterhalt und nicht zuletzt eine wirksamere finanzielle Entlastung.
Kinder und Jugendliche mit Kinderchancengeld unterstützen
Familien mit mittlerem und niedrigem Einkommen wollen wir nachhaltig unterstützen und Kinderarmut entgegenwirken. Wir unterstützen die Absicht der neuen Bundesregierung, familienpolitische Leistungen zu bündeln. Unser Ziel bleibt ein Kinderchancengeld – eine einfache und zusammengefasste Unterstützung. Insbesondere die Angebote für bessere Chancen, Bildung und Teilhabe sollen ausgeweitet und von Kindern und Jugendlichen selbstständig abgerufen werden können.
Passgenaue Angebote für Kinder und Jugendliche umsetzen
Wir wollen die außerschulischen Angebote der Kinder- und Jugendarbeit als demokratische Bildungsorte und freiwillige Lernorte weiter stärken. Kinder und Jugendliche sollen flächendeckend Zugang zu den vielfältigen Möglichkeiten der Bildung erhalten und allgemeine, soziale, kulturelle und persönliche Kompetenzen erwerben können. Mentoring-Programme sollen eine weitere wertvolle Unterstützung für Kinder und Jugendliche sein und ihnen Perspektiven für die Zukunft aufzeigen. Eltern werden durch die Angebote der Kinder- und Jugendarbeit zudem entlastet.
Vor allem benachteiligte Kinder und Jugendliche benötigen umfassende Ferien- und Unterstützungsprogramme. Wir wollen darum Ferienfreizeiten, Bildungsprogramme in den Schulferien sowie Mitgliedschaften in gemeinnützigen Vereinen finanziell stärker fördern und unterstützen.
Zugang zu Bildung ermöglichen und vor allem Neugier für Forschung und den MINT-Bereich wecken – das leisten auch außerschulische Bildungseinrichtungen, wie Junior Universitäten und Museen. Wir wollen solche Initiativen weiter unterstützen und bessere Rahmenbedingungen für deren Arbeit schaffen, damit sie mehr Talente gerade auch aus bildungsferneren Haushalten erreichen.
Die Corona-Pandemie hat auch psychosoziale und entwicklungspsychologische Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche. Wir wollen den bereits eingeleiteten Ausbau der Schulpsychologie fortsetzen und den Schülerinnen und Schülern vor Ort passgenaue Beratungs- und Unterstützungsangebote unterbreiten.
Digitales Familienportal als unbürokratische Anlaufstelle schaffen
Hindernisse bei der Terminvereinbarung, die Pflicht persönlichen Erscheinens bei Behörden, Wartezeiten vor Ort und unverständliche Bürokratie sind für Eltern oft Wegbegleiter bei der Beantragung familienbezogener Leistungen. Wir wollen darum mit dem „Digitalen Familienportal NRW“ eine zentrale, digitale Anlaufstelle schaffen. Das Portal soll als „One-Stop-Shop“ den Zugang zu allen wichtigen Informationen eröffnen und alle Leistungen rund um das Familienleben gebündelt zugänglich machen. Gegliedert nach relevanten Lebenslagen, sollen Familien dann mit wenigen Klicks alle kind- und familienbezogenen Leistungen finden und beantragen können – von Elterngeld über Unterhaltsvorschuss bis zur Unterstützung bei einer Kinderwunschbehandlung. Die Möglichkeit zum persönlichen Kontakt soll es grundsätzlich weiterhin geben.
Gesundheit
Wenn es Menschen gut geht, stärkt das ihre Möglichkeiten, sich selbst zu entfalten. Wir wollen Gesundheit im größtmöglichen Umfang erhalten und das Wohlbefinden stärken. Erreicht werden kann dies durch eine regional vernetzte, patientenorientierte und integrierte Versorgung, in der Prävention, Notfallversorgung, Kuration, Rehabilitation und Pflege gleichwertig sind sowie interprofessionell und integrativ gesteuert werden. Wichtig ist auch eine breit angelegte Hilfsstruktur zum psychischen Wohlergehen. Eine Erkrankung erschwert oftmals das Verfolgen eigener Lebensziele oder hindert im schlimmsten Fall sogar daran.
Damit sich Erkrankte bestenfalls vollständig und möglichst schnell erholen können, braucht es ein leistungsfähiges Gesundheitssystem, das allen Menschen eine wohnortnahe und qualitativ hochwertige medizinische Versorgung sichert. Zugleich wollen wir die Chancen des medizinischen und digitalen Fortschritts nutzen und das Gesundheitssystem an die demografische Entwicklung und mögliche Pandemien in der Zukunft anpassen. Erkrankten, auch chronisch Kranken und Menschen mit bleibenden Schäden durch Unfall oder Krankheit wollen wir den Weg ebnen, um in größtmöglicher Selbstbestimmung leben zu können. Für den Gesundheitsschutz, das Bekämpfen von Krankheiten und ein selbstbestimmtes Leben mit Unfall- oder Krankheitsfolgen spielen Innovationen eine zentrale Rolle. Die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden und Medikamente gibt Menschen Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Wir unterstützen das Vorhaben der neuen Bundesregierung, die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene in lizenzierten Geschäften einzuführen.
Zukunftsfähige Versorgungsstrukturen schaffen
Wir wollen die Reform der Krankenhausrahmenplanung vor Ort konkret umsetzen und zukunftsfähige Krankenhausstrukturen schaffen. Mit einer entsprechenden zielgerichteten Investitionsförderung wollen wir den Strukturwandel unterstützen und gleichzeitig die Erreichbarkeit und Versorgung in der Fläche sichern. Dabei wollen wir die Behandlungsqualität verbessern, indem wir komplexe Leistungen an besonders geeigneten Standorten konzentrieren, ineffiziente Doppelstrukturen in Ballungszentren reduzieren sowie Kooperationen von Krankenhäusern sowohl mit Krankenhäusern als auch mit niedergelassenen Ärzten und Rehabilitationskliniken fördern. Darüber hinaus sollen die Versorgungsstrukturen und -kompetenzen der Rehabilitationskliniken stärker als bisher berücksichtigt werden. Zahlreiche Rehabilitationskliniken standen zur Bewältigung der Pandemie als Hilfskrankenhäuser zur Verfügung. Diese Strukturen und Kompetenzen müssen gesichert und weiterentwickelt werden.
In unter- und schlechtversorgten Gebieten soll die Gründung von MVZs für Kommunen flexibler werden. Eine Beschränkung auf Fachgruppen oder Rechtsformen sehen wir kritisch. Wir setzen uns dafür ein, dass die Gründung von Zweigpraxen und ausgelagerten Praxisräumen, sowohl für Vertragsärzte als auch für MVZ gerade in diesen Regionen flexibilisiert und entbürokratisiert wird.
Wohnortnahe gesundheitliche Versorgung sichern
Wir stehen für eine qualitativ hochwertige, flächendeckende und wohnortnahe Gesundheitsversorgung, gerade auch im ländlichen Raum. Dabei spielt die hausärztliche Versorgung eine zentrale Rolle. Wir wollen über die bestehende Landesförderung für Niederlassungen mit dem Hausarztaktionsprogramm hinaus gemeinsam mit den Körperschaften die Rahmenbedingungen für innovative Versorgungsangebote und ortsnahe Kooperationsformen verbessern. Um mehr ärztlichen Nachwuchs gerade für ländliche Regionen zu gewinnen, wollen wir mehr Studienplätze an der Universität Witten-Herdecke schaffen und die medizinische Fakultät Ostwestfalen-Lippe weiter ausbauen, unter anderem durch die Schaffung eines Instituts für Pharmazie und die Einrichtung eines Studienangebots für Pharmazie als Ergänzung des Forschungs- und Lehrangebots an der Universität Bielefeld, um so das Innovations- und Gründungspotenzial in der gesamten Region weiter zu erhöhen sowie dem Apothekermangel vor allem im ländlichen Raum entgegenzuwirken. Zudem setzen wir uns dafür ein, Landarzt-Förderprogramme zu verstärken und den Quereinstieg in die Hausarzttätigkeit weiter zu unterstützen. Auch im Bereich der anderen Gesundheitsberufe sind die Ausbildungsangebote zu erweitern und Weiterbildung zu fördern.
Digitalisierung und Innovationen zum Wohl der Patientinnen und Patienten voranbringen
Wir wollen die Möglichkeiten und Chancen der Digitalisierung im Gesundheitswesen und von Telematik- Anwendungen noch besser nutzen, um Patientinnen und Patienten effizienter versorgen zu können. Dazu zählen die verstärkte Nutzung mobiler Endgeräte insbesondere bei niedergelassenen Ärzten, der weitere Ausbau des Erfolgsmodells Virtuelles Krankenhaus zur fachlichen Unterstützung der Kliniken vor Ort, der Ausbau Künstlicher Intelligenz zur Diagnose von Erkrankungen, die Nutzung robotischer Assistenzsysteme sowie die übergreifende digitale Vernetzung der gesamten Versorgungsstruktur von den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten und ambulanten Diensten über die Krankenhäuser bis hin zur Rehabilitation und Pflege. Dabei sind der medizinische Nutzen digitaler Anwendungen zu prüfen, die technische Funktionsfähigkeit durch ausgedehnte Feldtests sicherzustellen, die Sicherheit der Daten zu gewährleisten und hierdurch die Anreize für die freiwillige Nutzung digitaler Infrastrukturen zu verstärken. Unabdingbar ist jedoch eine gute und sichere Datenqualität. In Zusammenarbeit mit den medizinischen und technischen Fachgesellschaften werden Standards zur Datengewinnung und -qualität entwickelt. Wir setzen uns für den Ausbau von kostenlosen fälschungssicheren medizinischen Dokumentationsmöglichkeiten und Gesundheitszeugnissen ein und wollen Innovationen in diesem Bereich fördern.
Öffentlichen Gesundheitsdienst stärken
Wir setzen uns dafür ein, den öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) zu digitalisieren und zu stärken. Intelligente Schnittstellen und eine digitale Vernetzung zwischen allen Standorten des ÖGD sollen flächendecken genutzt werden. Wir wollen den ÖGD zudem attraktiver machen für ärztlichen Fachkräftenachwuchs. Dazu zählen verlängerte Einstellungsfristen, ein eigenständiger Tarifvertrag, attraktive Arbeitszeitmodelle und mehr Weiterbildungsstellen. Außerdem wollen wir es ermöglichen, Famulaturen wie auch das Wahlfach des Praktischen Jahres (PJ) während des Medizinstudiums im Gesundheitsamt zu absolvieren.
Das Landeszentrum für Gesundheit soll als Landesgesundheitsamt mit erweiterten Kompetenzen ausgestattet werden und eine „Rapid Response Force“ auf Landesebene enthalten, die im Bedarfsfall kurzfristig die örtlichen Gesundheitsämter unterstützen kann.
Den Öffentlichen Gesundheitsdienst möchten wir entlasten. Bislang ist er auch für die Verbeamtungsuntersuchungen zuständig. In der Pandemie brachte dies Gesundheitsämter an ihre Grenze, so dass teilweise unter Vorbehalt und mit Rechtsunsicherheit für alle Seiten verbeamtet werden musste. Andere Bundesländer beauftragen für diese Untersuchungen besonders ausgewählte niedergelassene Vertragsärzte. Dadurch können sich die Gesundheitsämter auf ihre Kernaufgaben konzentrieren.
Prävention und Gesundheitsförderung ausbauen
Der Prävention, Krankheitsfrüherkennung, Gesundheitsförderung und Rehabilitation kommen eine wichtige Bedeutung zu, die nicht nur das Gesundheitswesen umfasst, sondern altersunabhängig die gesamte Gesellschaft. Daher ist die Präventionsmedizin in allen gesellschaftlichen Bereichen zu stärken. Wir wollen die Gesundheitsvorsorge verbessern und es den Menschen ermöglichen, Erkrankungen zu vermeiden oder zumindest frühzeitig zu erkennen. Dafür wollen wir die Angebote zur Prävention und Gesundheitsförderung ab dem Kindesalter für alle Altersgruppen ausbauen und setzen uns unter anderem für ergänzende Voruntersuchungen bei Kindern und Jugendlichen (U10/U11/J2) ein. Hierzu ist es auch notwendig, Zahnärzte und pädagogische Einrichtungen in die Präventionsarbeit einzubeziehen, um möglichst alle Kinder niedrigschwellig zu erreichen. Wir wollen bereits Kindern und Jugendlichen in Kindergärten, Schulen und in der Ausbildung einen eigenverantwortlichen, gesunden Lebensstil vermitteln und damit Erkrankungen vorbeugen. Wir setzen uns für eine umfassende gesundheitliche Bildung in den Schulen ein. Gesundheitliche Bildung soll in geeigneter Weise in den entsprechenden Lehrplänen gestärkt werden – auch im Hinblick auf mentale Gesundheit. Im Sinne eines lebenslangen Gesundheitslernens sollen auch Erwachsene entsprechende Informationen erhalten und alle zwei Jahre evidenzbasierte Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen. Den Leitgedanken von Vorsorge und Prävention wollen wir auch auf gender- und geschlechtsspezifische Gesundheitssituationen ausweiten.
Neben einer modernen Drogenprävention und -beratung sind insbesondere nicht-stoffgebundene Süchte (z. B. Internet- oder Spielsucht) stärker in den Fokus zu nehmen.
Männer und Frauen erkranken aufgrund biologischer Unterschiede verschieden. Dem sollten auch Medizin und Forschung Rechnung tragen. Wir setzen uns deswegen für konkrete Forschungsprojekte zu geschlechtsspezifischer Medizin und Pharmazie in Nordrhein-Westfalen ein.
Notfallversorgung und Rettungsdienst
Eine gute Versorgung im Notfall gehört für uns zur Daseinsvorsorge. Die Menschen, die im Rettungsdienst aktiv sind, verdienen für ihr Engagement jeden Tag unseren Dank, daher wollen wir ihre Arbeitsbedingungen nachhaltig verbessern.
Zentral für einen gut funktionierenden Rettungsdienst ist gut ausgebildetes Personal und eine Ausstattung auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft.
Digitale Anwendungen, digitale Dokumentation und beste Ausbildung werden in NRW dringend benötigt. Zusätzlich setzen wir uns für ein NRW-weites webbasiertes Onlinemeldesystem ein, in dem in Echtzeit freie Versorgungskapazitäten in den Krankenhäusern einsehbar sind. Daneben wollen wir ambulante Notpraxen an die Notaufnahmen im Krankenhaus anbinden, um diese zu entlasten.
Rehabilitation stärken
Die ambulanten und stationären Rehabilitationseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen, die heimischen Kurorte und Heilbäder sind ein bedeutender Faktor und wichtiger Dienstleister in der Gesundheitswirtschaft. In den nächsten Jahren ist ein veränderter und vermehrter Bedarf an Rehabilitation zu erwarten. Wir wollen den Ausbau der Standorte für Rehabilitation zu modernen Kompetenzzentren für Gesundheit und Prävention unterstützen. Zudem wollen wir uns auf Bundesebene dafür einsetzen, die Verfahren zur Genehmigung von Rehabilitationsleistungen durch die Krankenkassen zu vereinfachen, eine Länderöffnungsklausel der bundesweiten Rahmenverträge zur besseren Berücksichtigung regionaler Besonderheiten einzuführen sowie Rehabilitationseinrichtungen bei der Ausbildung aller Gesundheitsfachberufe beteiligen zu können.
Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen
Psychische Gesundheit ist eine wesentliche Voraussetzung für Lebensqualität, Leistungsfähigkeit und soziale Teilhabe. Durch die Förderung von psychischer Gesundheit und der Prävention wird die Gesellschaft sensibilisiert und Einzelnen kann schnell geholfen werden. Viele Erkrankungsverläufe sind durch die Psyche mitbestimmt und können durch die frühzeitige Einbindung von Psychotherapeuten positiv beeinflusst werden. Wir wollen daher die Wartezeiten auf eine ambulante wie stationäre Therapiemöglichkeit reduzieren, Prävention und Aufklärung stärken sowie die Ausbildung der psychologischen Psychotherapeuten ausbauen und weiterentwickeln.
Selbstbestimmung am Lebensende
Wir wollen die Selbstbestimmung auch am Lebensende erleichtern und ein würdevolles Sterben ermöglichen. Dazu wollen wir die Hospiz- und Palliativversorgung weiter verbessern. Die Vernetzung von Hausärztinnen und Hausärzten mit der ambulanten palliativmedizinischen Versorgung soll noch weiter gestärkt werden. Eine Strafandrohung gegen ärztliche Sterbebegleitung lehnen wir ab.
Selbstbestimmung auch über den Tod hinaus
Wir setzen uns für eine Liberalisierung des Bestattungsgesetzes ein. So soll geprüft werden, ob künftig eine Urnenbestattung auch auf privatem Grund erfolgen kann.
Außerdem soll auch die Trägerschaft von Friedhöfen durch Dritte, wie z. B. private Unternehmen ermöglicht werden.
Pflege
Jede und jeder kann – nicht nur im Alter – durch eine Krankheit in die Situation geraten, den eigenen Alltag nicht mehr allein bewältigen zu können. Wir setzen uns für eine qualitativ hochwertige Pflege ein, um bei Krankheit, Behinderung oder im Alter ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Wo Eigenverantwortung zunehmend schwieriger wird, gilt es Gesamtverantwortung zu entwickeln und Hilfsangebote so zu verzahnen, dass ein Umfeld aus Betreuung und Versorgung dem Einzelnen Wahlfreiheit lässt, wie sie oder er leben möchte: ob ambulante Betreuung in der häuslichen Umgebung, Pflege-Wohngruppen oder stationäres Pflegeheim. Einseitige Bevorzugungen oder Benachteiligungen einzelner Angebotsformen lehnen wir ab. Pflegende Angehörige sowie Nahestehende sind stärker in ihrer Tätigkeit zu unterstützen. Wir unterstützen den Grundsatz Rehabilitation vor Pflege durch eine strukturierte Berücksichtigung der Rehabilitation, um Pflegebedürftigkeit wirkungsvoll zu vermeiden.
Zentral für eine gute Pflege sind ausreichend, gut ausgebildete Pflegende. Ihre Arbeit verdient sowohl große Wertschätzung, vor allem aber auch gute Arbeitsbedingungen, die wir weiter verbessern wollen. Wir wollen zudem mit allen beteiligten Akteuren eine Initiative entwickeln, um ausgeschiedene Pflegefachkräfte zurückzugewinnen.
Pflegefachkräfte entlasten, Digitalisierung nutzen
Wir wollen bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege erreichen. Darum wollen wir von der Bildung über eine bedarfsgerechte Personalbemessung, dem Abbau von Bürokratie, leistungsgerechte Vergütungen bis hin zu mehr Karrierechancen durch Aufstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten dafür sorgen, dass der Beruf wieder attraktiver wird. So soll dem Personalmangel begegnet und die Versorgung verbessert werden.
Wir wollen die Arbeit in der Pflege durch digitale Anwendungen, Automatisierung sowie Robotik unterstützen und Pflegende dadurch entlasten. Wir wollen so mehr Zeit für Zuwendung ermöglichen und zur Erleichterung des Arbeitsalltags Pflegender beitragen – unter anderem durch eine elektronische Patientenkurve, eine automatisierte Medikamentenausgabe und robotische Lagerungshilfen. Dies reduziert auch Risiken für die Pflegebedürftigen, zum Beispiel bei Medikationsänderungen.
Wir wollen den Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, ein selbstbestimmtes und sorgenfreies Leben so lange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden ermöglichen. Wohnungen und Häuser können bereits heute mit digitalen Systemen und elektronischen Assistenzsystemen ausgestattet werden. Hier wollen wir prüfen, inwiefern ein Modellprojekt in einzelnen Quartieren mit finanzieller Unterstützung durch Kranken- und Pflegeversicherung möglich sein kann und inwieweit der Leistungskatalog der Pflegeversicherung ausgebaut werden kann. Denn die Technik und die Ideen sind in Deutschland bereits vorhanden. Die Umsetzung und die Einbringung in den Alltag der Betroffenen ist bis heute nicht umfassend erfolgt.
Ebenso setzen wir uns für verlässliche Dienstpläne, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und eine gezielte betriebliche Gesundheitsförderung zum Abbau von physischen und psychischen Belastungen ein. Wir unterstützen die Anwerbung von Pflegekräften aus der Europäischen Union und Drittstaaten mit Hilfe unbürokratischer Anerkennungsverfahren und fachbezogener Sprachkurse.
Weiterentwicklung der Pflegeausbildung
Wir setzen uns für eine Weiterentwicklung der Pflegeausbildung ein. Wir wollen mehr digitale Inhalte, eine Stärkung der pflegerischen Kompetenzen und eine leistungsgerechte Durchlässigkeit in Pflegeberufen. Wir wollen auch für Haupt- und Gesamtschülerinnen und -schüler die Ausbildungsplätze in der Pflegeassistenz weiter ausbauen mit dem Ziel, den Zugang zur Pflegefachkraft-Ausbildung nach einer erfolgreichen Ausbildung in der Pflegeassistenz zu eröffnen. Zusätzlich soll die Zahl der Ausbildungsplätze durch den Einbezug der Kapazitäten der Rehabilitationsklinken als Ausbildungsstätten deutlich erhöht werden. Daneben wollen wir die primärqualifizierenden Studiengänge im Bereich der Pflegewissenschaft flächendeckend ausbauen.